Was ist eine Liebespuppe?

Der Begriff der Liebespuppe (ラブドール, rabu dōru) wurde in den späten 1990er Jahren von dem japanischen Unternehmen Orient Industry geprägt, um eine Produktlinie mit teuren Sexpuppen von den sog. "Seemannsbräuten" (dutch wives bzw. ダッチワイフ, datchi waifu) zu unterscheiden.

Die Vorgänger der Liebespuppen waren Sexspielzeuge wie aufblasbare Sexpuppen, funktional erweiterte Schaufensterpuppen sowie Mode- und Actionfiguren wie die Barbie-Kinderpuppe. In Verbindung mit dem Makeup von filmischen Spezialeffekten kam Ende der 1990er Jahre die erste Silikon-Sexpuppe von Abyss Creations auf den Markt. Unter dem Markennamen Real Doll setzte diese lebensgroße und lebensnahe Puppe neue Maßstäbe in Sachen Realismus - und Preis.

Sowohl die Produkte von Orient Industry als auch die von Abyss Creations wurden vielfach kopiert, aber auch verbessert; binnen weniger Jahre entwickelte sich aus dem exotischen Nischenprodukt ein Weltmarkt, auf dem sich mittlerweile Dutzende von Anbietern tummeln.

Insbesondere ostasiatische Hersteller haben längst entdeckt, daß sich mit lebensgroßen Dolls gutes Geld verdienen läßt. Mit dem neuartigen Materialkonglomerat TPE bekam das etablierte Silikon Konkurrenz. Die chinesischen Produzenten kombinieren dabei industrialisierte Fertigungsprozesse mit preiswerter Handarbeit und eröffnen mit preislich attraktiven Produkten einen Massenmarkt.

Aber was ist denn nun eine Liebespuppe?

Hierauf gibt es zwei Antworten. Zum einen ist eine Liebespuppe noch immer ein Sexspielzeug, ein luxuriöser Masturbator. Zum anderen ist eine Liebespuppe auch wesentlich mehr. Durch ihre Entwicklungsgeschichte ist eine Liebespuppe immer auch eine hyperrealistische Schaufensterpuppe und ein Spielzeug zum Kuscheln geblieben.

Während ein Masturbator Bestandteil der rein privaten Lebenswelt ist, lassen sich Liebespuppen auch durchaus vorzeigen; man muß sie nicht verstecken und hat auch keinen Grund, sich ihrer zu schämen. Ihre Natur ist mehrschichtig, sie sind immer auch geduldige Fotomodelle und stille Lebensgefährten ohne jegliche sexuelle Konnotation.

Längst gab es erste Coming-outs von bekennenden Puppenliebhabern, die in der Liebespuppe einfach nur einen Lebens(abschnitts)partner sehen. Vielleicht erreichen diese Liebespuppen schon bald den Mainstream?

Was sind die Merkmale einer Liebespuppe?

Im Unterschied zu Schaufensterpuppen verfügen Liebespuppen in der Regel über ein Skelett aus PVC oder Metall; Gelenke ermöglichen realitätsnahe Bewegungen; synthetische Materialien wie Silikon oder TPE substituieren Haut und Muskelfleisch. Liebespuppen können Bewegungen ausführen, die statische Schaufensterpuppen nicht beherrschen. Höherwertige Modelle können Posen halten, auf ihren eigenen Füßen stehen oder Gegenstände in den Händen halten.

Typischerweise ist eine weibliche Liebespuppe mit einer künstlichen Vagina oder weiteren Körperöffnungen ausgestattet; im Unterschied zu billigen Sexpuppen sind Vagina, Anus oder Mund weitaus realistischer ausgestaltet. Beispielsweise verfügt der Mund einer hochwertigen Liebespuppe oft über Zähne und manchmal sogar über eine Zunge. Sex mit einer Liebespuppe ist kaum vergleichbar mit einer aufblasbaren Vinylpuppe; eine Liebespuppe hat ein Eigengewicht und rutscht nicht wie eine Luftmatratze durch die Gegend; meist haben Liebespuppen auch ausnehmen hübsch gestaltete Gesichter und nicht nur die Anmutung eines bemalten Luftballons.

Während Miniaturen wie die Barbie-Kinderpuppe menschliche Mastäbe mehr oder minder korrekt proportioniert verkleinern, sind Liebespuppen weitgehend lebensgroß. Nicht zuletzt dieses Merkmal kann sie zu nahzu vollwertigen Mitbewohnern machen und qualifiziert sie für Foto-Shootings, für die kein menschliches Modell ausreichend Geduld aufbringen würde.